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Zu Besuch in Katar: Sport und Menschenrechte

Barbara Lochbihler mit einer Delegation des EP in Katar, hier: Migrants' deportation centre / Abschiebezentrum

Ministry of foreign affairs

Es gibt gute Ansätze, aber ein Ende der ausbeuterischen Verhältnisse ist nicht in Sicht. So lautet mein Fazit nach einem kurzen Besuch in Katar am 23. März. Ich fuhr im Rahmen einer Delegationsreise des Europäischen Parlaments in den Golfstaat. Wir trafen dort Vertreter der Regierung, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Arbeitsmigranten. Außerdem besuchten wir das Qatar Deportation Detention Center – das Abschiebelager des Emirates.

Unsere Gespräche machten deutlich, dass das umstrittene Sponsorensystem, das „Kafala-System“, weiterhin dafür verantwortlich ist, dass die Arbeitsmigrantinnen und –migranten unter unwürdigen Bedingungen leben und schuften müssen. Die Beschäftigen sind vollkommen von einem Arbeitgeber abhängig. Sie müssen ihm ihren Pass abliefern. Werden Migranten gekündigt, verlieren sie sofort ihre Aufenthaltserlaubnis und können abgeschoben werden. Sie dürfen sich nicht neu bewerben. Klagen oder Beschwerden haben kaum Erfolg. Jederzeit können sie von der Polizei aufgegriffen und abgeschoben werden.

Das betrifft Akademiker genauso wie Bauarbeiter, Hausangestellte oder Fußballprofis.

Beim Besuch des Abschiebezentrums bestätigten mir mehrere Personen, dass sich an diesen Verhältnissen nichts geändert habe. Ich sprach mit einem Ägypter, der sieben Jahre in Katar gearbeitet hatte, in den letzten zwei Monaten keinen Lohn mehr bekam und mittlerweile gekündigt wurde. Nun sitzt er in Abschiebehaft fest und muss zurück nach Ägypten. Ähnliche Beispiel willkürlichen Handelns und der Ohnmacht der Betroffenen hörte ich von gut ausgebildeten Libanesen und Palästinensern, denen ohne Angabe von Gründen gekündigt worden war. Noch immer stehen Gehaltzahlungen aus, eine Krankenversicherung haben sie nicht mehr. Eine neue Arbeit werden sie nicht finden, zugleich dürfen sie aber nicht ausreisen, weil die Unternehmen ihre Papiere nicht herausgeben. Auch das sind Konsequenzen des Kafala-Systems.

In mehreren Gesprächen mit Vertretern des Außen- und Arbeitsministeriums sowie der Menschenrechtsabteilung des Innenministeriums war von einer grundsätzlichen Reformierung des Kafala-Systems die Rede. Allerdings konnte niemand konkrete Angaben machen, wann diese Schritte tatsächlich umgesetzt werden.

Im Arbeitsministerium berichtete man mir von Reformen zur rechtlichen Absicherung der Migranten. Besonders hervorgehoben wurde die Möglichkeit, einem Unternehmen die Rekrutierung von Arbeitern zu verbieten, wenn es Beschäftigte schlecht behandelt hat. Es sei eine Abteilung im Ministerium geschaffen worden, die entsprechende Beschwerden entgegennehme. Kann ein Streit nicht einvernehmlich geregelt werden, verhandele das Arbeitsgericht. 2013 habe man ca. 10.000 Beschwerden erhalten, ca. 8000 seien einvernehmlich gelöst worden. Von den 2000, die an das Gericht übergeben worden seien, seien 850 zugunsten des Arbeiters bzw. der Arbeiterin entschieden worden. Außerdem sei ein landesweites Netz von Inspektoren eingerichtet worden, die Arbeitsstätten und Unterkünfte überprüfen. Im Jahr 2013 hätten die Inspektoren 46.000 Besuche durchgeführt. Die Anzahl der Inspektoren sei um 30 Prozent gestiegen.

Für Hausangestellte gelten nicht einmal die Regeln des Sponsorengesetzes von 2009. Arbeitsverträge werden zwischen dem Entsendestaat und katarischen Agenturen geschlossen. Die Angestellten sind häufig sexuellen Angriffen ausgesetzt, wenn sie aber flüchten, machen sie sich damit strafbar. Man kann hier von sklavenähnlichen Verhältnissen sprechen. Laut Gesetz könnten sie zwar klagen, aber de facto machen sie das nicht. Nach Angaben meiner Gesprächspartner arbeite man an Strategien gegen die Gewalt sowie an einem Gesetzentwurf zu Arbeitsregeln für Hausangestellte. Wann dieser fertiggestellt sein wird, konnte mir jedoch niemand beantworten.

Vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen herrschen geradezu feudalistische Verhältnisse. Es gibt zwar ein Recht, Gewerkschaften zu bilden, allerdings nur für Bürger aus Katar. Da etwa 80 Prozent aller Beschäftigten Migrantinnen und Migranten sind, hat das mit gewerkschaftlicher Organisationsfreiheit nichts zu tun.

Fazit: Es gibt Ansätze zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen, einige Reformen werden offensichtlich auf den Weg gebracht. Leider konnte mir niemand sagen, bis wann tatsächlich gesetzliche und andere Änderungen zu erwarten sind. Zudem wird, etwa mit Blick auf Hausangestellte und die Gewerkschaftsfreiheit deutlich, dass die Ansätze noch völlig unzulänglich sind. Unsere Bemühungen im Europäischen Parlament sowie die Initiativen von Sportverbänden und Menschenrechtsorganisationen haben die internationale Öffentlichkeit auf die katastrophalen Verhältnisse aufmerksam gemacht. Nur so bewegte sich überhaupt etwas in dem Emirat. Um tatsächlich Verbesserungen für die Arbeitsmigrantinnen und -migranten in Katar sicherzustellen, muss der Druck erhöht werden. Als einen Schritt begrüße ich die Pläne der FIFA, weitere Inspektionsreisen durchzuführen. Weitere Maßnahmen müssen folgen. Unter den jetzigen Verhältnissen jedenfalls halte ich es für fragwürdig, an den Fußball-WM-Plänen festzuhalten.

Weitere Artikel zu diesem Thema:
Notfalls WM absagen, Interview im Deutschlandfunk vom 24. März 2014
Keine Änderungen in Qatar, FAZ vom 25. März 2014
Qatar unter Druck, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Februar 2014
Brüssel zu Sklavenarbeit in Qatar, ARD-Morgenmagazin, 13. Februar
Lochbihler: Eine Bankrotterklärung europäischer Politik, ein Interview mit der Deutschen Welle vom 7. Februar 2014
Kein politischer Wille zur Verbesserung, ein Interview mit dem Deutschlandfunk vom 8. Februar 2014

 

 

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