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EU-Türkei-Gipfel: Ja zu Europa, nein zum Ende des individuellen Asylrechts

Heute kommen in Brüssel die europäischen Staats- und Regierungschefs zu einem weiteren Gipfel zusammen, um gemeinsam mit der Türkei über die nächsten flüchtlingspolitischen Schritte zu beraten. Barbara Lochbihler, außenpolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament und stellvertretende Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses kommentiert:

„Das Ziel der Staats- und Regierungschefs ist eindeutig: Kaum noch Flüchtende sollen in der Europäischen Union ihren Schutzanspruch geltend machen können. Der geplante EU-Türkei-Deal wäre das Ende des Asylsystems, wie wir es kennen: Trotz aller juristischen Rochaden der letzten Tage würde nichts anderes entstehen als ein umfangreiches Abschiebeprogramm hinter hermetisch abgeriegelten Grenzen.

Aus innenpolitischen Impulsen und einem Mangel europäischer Solidarität heraus setzen die Mitgliedstaaten bereitwillig einen Schlussstrich unter das individuelle Asylrecht und begeben sich in eine Abhängigkeit von Ankara, die Präsident Erdogan und seine Regierung längst schonungslos auszunutzen wissen. Da hilft es auch nicht, wenn die EU-Kommission nun auf den Übergangscharakter der Maßnahmen oder auf individuelle Verfahren pocht: Ob zehntausende Asylsuchende im Einzelverfahren oder summarisch abgewiesen werden – es ist und bleibt ein massenhaftes Refoulement, das völkerrechtlich kaum zu legitimieren ist.

Die geplanten Kontingente verfehlen ihren Zweck, wenn sie zur bloßen Abfederung einer ansonsten lückenlosen Abschottung verkommen. Resettlement war immer schon als zusätzliche Maßnahme zum eigentlichen Asylrecht gedacht, um besonders schutzbedürftigen Personen zu helfen. Damit soll nun Schluss sein: Die Mitgliedstaaten wollen den individuellen Asylanspruch durch eine Umsiedlung schlichtweg ersetzen und Kriegsflüchtlinge letztlich vom guten Willen europäischer Regierungen abhängig machen, die bislang alle dabei versagt haben, ihre bescheidenen Zusagen gegenüber der Türkei und auch Griechenland einzuhalten.

Das Abkommen zwischen der EU und der Türkei bringt keine nachhaltige Besserung für die Millionen von Flüchtenden aus den Krisengebieten in der europäischen Nachbarschaft. Es zwingt sie, in einem Land auszuharren, das nicht einmal die Genfer Flüchtlingskonvention voll anwendet und wegen der Inhaftierung, Misshandlung und Abschiebung von Schutzsuchenden in syrische Kriegsgebiete in der Kritik steht.

Natürlich ist es entscheidend, die Türkei massiv zu unterstützen und mit aller Konsequenz auf eine europäische Lösung zu setzen. Statt aber die Grenzen zu schließen und schutzbedürftige Menschen ihrem Schicksal zu überlassen, müssen wir auf sichere Fluchtrouten, Seenotrettung und einen tragfähigen Verteilungsmechanismus setzen. Sollten dabei nicht alle Mitgliedstaaten mitziehen und Länder wie Deutschland auch weiterhin überproportional viel Verantwortung übernehmen müssen, wäre das sicherlich bedauerlich. Nichts aber ist bedauerlicher, als auf tausendfache Not mit Abschottung und der kollektiven Aufweichung asylrechtlicher Errungenschaften zu reagieren.“

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