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Sudan: Fragen zu Grenzschutz blieben unbeantwortet

Seit Sonntag ist Barbara Lochbihler, außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament, in Khartum. Im Zentrum ihrer Gespräche mit Regierung, Parlament, EU-Vertretern und Zivilgesellschaft standen die geplante Grenzschutz-Kooperation zwischen der EU und dem Sudan, die Versorgung von Schutzsuchenden sowie die schwierige Menschenrechtslage im Land*. Zum Abschluss ihrer Reise kommentiert Barbara Lochbihler:

"Auf meine konkreten Fragen zur geplanten Grenzschutz-Kooperation, insbesondere im Rahmen des Projekts "Better Migration Management" unter Leitung der deutschen GIZ, habe ich kaum verwendbare Antworten erhalten. Wen wollen wir ausbilden? Wie wird das Auswahlverfahren ablaufen? Wie wollen wir verhindern, dass indirekt auch der allgegenwärtige Geheimdienst oder verbrecherische Milizen gestärkt werden? Welches Material wollen wir liefern? Und wie sollen die versprochenen menschenrechtlichen Kontrollmechanismen genau aussehen? Ich weiß es immer noch nicht. Und ich habe den Eindruck: So genau weiß es hier auch niemand.

Die aktive EU-Unterstützung bei der Versorgung der vielen Geflüchteten und den über drei Millionen intern Vertriebenen, insbesondere in den Camps im Osten des Landes und in Krisengebieten wie Darfur, unterstütze ich ausdrücklich. Das Geld im Bereich der Grenzschutz-Kooperation aber wäre an anderer Stelle sinnvoller investiert - dort nämlich, wo wir sicher sind, dass es den Betroffenen tatsächlich zugutekommt.

Der Sudan durchlebt kritische Zeiten. In Darfur, Südkordofan und der Blaue-Nil-Region dauern die bewaffneten Konflikte an. Über fünf Millionen Menschen sind von humanitärer Hilfe abhängig, zwei Millionen Kinder sind akut mangelernährt, und die Hilfsorganisationen haben nur eingeschränkten Zugang. Die Wirtschaft steht vor dem Kollaps, der Nationale Dialog stockt. Derweil ist die Macht des Präsidenten al-Baschir, der vom Internationalen Strafgerichtshof per Haftbefehl gesucht wird, ungebrochen. Journalisten werden eingeschüchtert, Aktivisten verfolgt, Kritiker unter konstruierten Anschuldigungen eingesperrt. Sie berichten von Misshandlung und Folter.

Auch Dr. Mudawi Ibrahim Adam ist seit dem 7. Dezember hinter Gittern. In den ersten fünfzig Tagen durfte er weder seine Familie noch seinen Anwalt sehen. Es liegen Berichte über Misshandlung und mangelnde medizinische Versorgung vor. Zudem wurde erst gestern offiziell Anklage erhoben: Dem international anerkannten Menschenrechtsverteidiger wird vorgeworfen, Spionage für einen ausländischen Geheimdienst betrieben zu haben. Ich habe den Fall Mudawi in all meinen offiziellen Gesprächen thematisiert und seine Freilassung gefordert.

Viele sudanesische Aktivisten und Menschenrechtsverteidiger befürchten, der starke Fokus der EU auf Grenzschutz und Sicherheit könnte zu Zurückhaltung in menschenrechtlichen Fragen führen. Ich teile diese Sorge. Die sudanesische Regierung dürfte sehr genau beobachtet haben, was in Ländern wie der Türkei passiert ist: Wer bei der Flüchtlingsabwehr hilft, darf mit viel Geld und wenig Kritik rechnen. Für den Sudan wäre es fatal, wenn die EU auch hier zugunsten kurzfristiger Interessen den Blick von der katastrophalen humanitären und menschenrechtlichen Lage abwenden würde.

Zugleich zeigt auch der Sudan: Es braucht endlich mehr Resettlement und andere sichere Fluchtalternativen. Wenn wir es ernst damit meinen, die Schleuser bekämpfen und das Sterben im Mittelmeer beenden zu wollen, müssen wir den Menschen andere Optionen bieten als den lebensgefährlichen Weg vorbei an den RSF-Milizen im Nordsudan, den Foltercamps in Libyen und den Schlauchbooten im Mittelmeer. Viele Schutzsuchende vor allem aus Eritrea werden nicht im Sudan bleiben, denn ihre Situation hier ist kaum erträglich. Wer wie die Bundesregierung millionenschwere Kooperationsprojekte mit zweifelhaften Sicherheitskräften in der Region für eine gute Idee hält, gleichzeitig aber beim Resettlement blockiert, macht sich unglaubwürdig und beweist: Nicht die Menschenrechte der Geflüchteten stehen im Zentrum, sondern die eigenen Abschottungsinteressen. Damit muss Schluss sein."

* Heute präsentiert auch der Unabhängige UN-Experte für die Menschenrechtslage im Sudan Aristide Nononsi die Ergebnisse seiner derzeitigen Untersuchungsmission in Khartum.

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